Gehry-Bauten in Düsseldorf
7. August 2022

Frank Gehry wurde 1929 in Toronto geboren und gilt als Vertreter des Dekonstruktivismus. Nach seinem Studium in Harvard und Los Angeles zog er nach Kalifornien. Er arbeitete zunächst in großen Baubüros ehe er 1962 sein eigenes Architekturbüro eröffnete.

Internationale Bekanntheit erlangte Gehry Anfang der 1980er Jahre mit dem Entwurf des California Aerospace Museum in Los Angeles. Im Laufe seiner Karriere wurden ihm zahlreiche Auszeichnungen verliehen.

2014 erhielt er den Prinz-von-Asturien-Preis in der Kategorie Kunst. 2016 wurde er mit der Presidential Medal of Freedom ausgezeichnet; eine der höchsten zivilen Auszeichnungen der USA.

1998 erhielt er den Pritzker Preis. Das ist die höchste Ehrung für Architekten. Er wird einmal jährlich vergeben und wird auch „Nobelpreis für Architektur“ genannt.

Frank Gehry ist definitiv mein Lieblingsarchitekt.

Mich als Künstlerin und Architekturbegeisterte faszinieren die kreativen, außergewöhnlichen Formgebungen seiner Entwürfe. Die meisten Bauwerke von Frank Gehry sehen wie Kunstwerke aus. Jeglichen geometrischen Formgebungen zum Trotz spielt er mit architektonischen Elementen fern traditioneller Normen.

Statt dessen verwendet er Kuben, Wölbungen, Bögen und Halbkreise, fragmentiert, neigt, verschachtelt, bricht und verkeilt sie. Auch die in der Architektur üblichen Materialien definierte er neu. So verwandte er Alt- und wieder aufbereitetes Metall. Aus Wellpappe und Sperrholz konstruierte er Sitzmöbel.

Haben Sie schon einmal vom Bilbao-Effekt gehört?

Er geht auf Gehry, seinen Entwurf des Guggenheim-Museums in Bilbao und den dadurch einsetzenden Wandel der Stadt zurück. Durch den spektakulären Entwurf rückte das bis dahin eher unbekannte Bilbao in den Blickpunkt der Öffentlichkeit.

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/d/de/Guggenheim-bilbao-jan05.jpg/800px-Guggenheim-bilbao-jan05.jpgPhotograph taken by User:MykReeve., CC BY-SA 3.0 <http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/>, via Wikimedia Commons

Das Interesse an Gehrys Bauwerk setzte eine unerwartete Entwicklung in Gang. Bilbao wandelte sich von der alten Industriestadt zur modernen Kulturstadt.

Auch in Düsseldorf stehen Bauwerke von Gehry.

Im Medienhafen schuf er den neuen Zollhof. Sein Entwurf in Form dreier expressiver Gebäude symbolisiert den Strukturwandels des Düsseldorfer Hafens aber auch der Stadt.

Mit diesem Entwurf hat Frank Gehry definitiv das Highlight des Viertels geschaffen. Es wurde zu einem Wahrzeichen Düsseldorfs und des Hafens und weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt.

Dabei war das ursprünglich so gar nicht vorgesehen.

Geplant war zunächst ein Gebäudekomplex der Londoner Architektin Zaha Hadid. Ihr Entwurf wurde bis zur Baureife ausgearbeitet. Leider kollidierte das Projekt mit deutschem Baurecht. Die Stadt sah aufgrund dieser Vorgaben Verwertbarkeitsprobleme bei der Realisierung des Entwurfs.

Zaha Hadid befürchtete zunehmend eine Verunstaltung ihres Entwurfs aufgrund der strengen Bauvorschriften. Nach drei Jahren Arbeit wurde das Projekt einvernehmlich aufgegeben.

Was sollte nun geschehen?

Es war der Werbefachmann Thomas Rempen, Bauherr und Alleininvestor des Zollhafens, der schließlich die zündende Idee hatte. Warum nicht Frank Gehry ins Boot holen? Die beiden Männer verband bereits seit den 1970ern eine Freundschaft und ihnen war etwas gemeinsam; unkonventionelle Begeisterungsfähigkeit.

So gelang es Rempen 1994 tatsächlich, den namhaften Architekten für das Projekt Zollhafen zu interessieren. Gehry gefiel die Lage Düsseldorfs am Rhein und der gewünschte Strukturwandel am Wasser. Mit seinem Beitrag wollte er das neue Stadtviertel harmonisch mit Rhein und Hafenbecken verbinden.

Beinahe zufällig hatte Gehry die entscheidende Idee!

Im Restaurant der Kunsthalle Basel saßen Rempen und Gehry damals und debattierten. Gemeinsam brüten sie – wie für Gehry üblich – u.a. mit Bauklötzen über den ersten Entwürfen und Ideen.

Schließlich entschied sich Gehry für einen schwingenden Komplex dreier skulpturaler Bauten mit unterschiedlicher Formung und Fassadengestaltung; weißer Putz auf der einen, roter Ziegelstein auf der anderen Seite. Beides sollte sich in der metallischen Gestaltung des mittleren Gebäudes widerspiegeln.

Der erste Entwurf dazu wurde auf einer Serviette festgehalten. Wie Rempen erzählt, entstand der Faltenwurf des mittleren Baus rein zufällig. Gehry warf einen Putzlappen über eine Holzskulptur. Für Gehry sah es das aus wie ein Vorhang. Damit stand der Entwurf für das mittlere Gebäude.

 Partner gesucht!

Für die Realisierung des Projektes benötigte Gehry erfahrene, kreative Partner. Wichtig; das Team musste sich im Besonderen mit den deutschen Vorgaben der Baugesetze und -verordnungen auskennen. Seine Wahl für die gleichberechtigte Zusammenarbeit fiel auf das Düsseldorfer Büro Beucker, Maschlanka & Partner.

Gehry widmete sich in der Folge weiterhin der Gestaltung und Entwicklung der Stadtsilhouette, während die Düsseldorfer mit einem großen Team an den technischen Herausforderungen tüftelte.

Für die Umsetzung wurde zunächst ein maßstabgerechtes Modell erstellt, das nicht nur die neuen Bauten, sondern auch den Hafen sowie die angrenzenden Straßen darstellte. Anschließend wurde es eingescannt und digital mit 3D-Simulationssoftware aus der Luft- und Raumfahrtindustrie ausgearbeitet.

Eine solche Vorgehensweise war

damals in der Architektur noch neu.

Viele Herausforderungen mussten bewältigt werden. So wurden u.a. Handwerker benötigt, die digitale Daten bautechnisch umsetzen konnten. Das mittlere, siebenstöckige Gebäude erforderte aufgrund seiner geschwungenen Formen wohl die meiste Innovation.

Aus bauphysikalischen Gründen war eine sonst übliche Stahlkonstruktion nicht möglich. Die stark gekrümmten Freiformflächen erforderten die Entwicklung neuer Techniken. Findige Ingenieure hatten schon bald die Lösung.

Für die aufwendige Fertigung der Schalung wurden die einzelnen, benötigten Formen zunächst per Computer aus riesigen Styroporblöcken gefräst. Anschließend wurde der Beton manuell hineingegossen.

Am Ende entstanden so 355 individuelle Fertigteile; bis zu sechs Meter hoch, vier Meter breit und bis zu 6t schwer. Alle Teile wurden nach der Herstellung auf der Baustelle zusammengesetzt. Das damals erstmals angewandte Verfahren wurde sogar patentiert.

Das höchste, weiße Gebäude des Komplexes weist geringere Krümmungen und Neigungen in den Freiflächen auf. Daher entwickelte man hier ein anderes Verfahren. Für jedes Fenster wurden geschossweise jeweils beidseitig Stahlschwerter samt dazwischenliegender Brüstungs- und Sturzbleche hergestellt.

So entstanden Stahlrahmen, die die Krümmung der Fassade festlegten. Insgesamt wurden ca. 1600 vertikale Stahlschwerter mit Kalksandstein so ausgemauert, dass das Mauerwerk darüber abgehängt werden konnte. Im Inneren wurde für die gekrümmten Wände das gleiche Verfahren angewandt wie beim mittleren Bau.

Für den verklinkerten Bau wurde eine Stahlbeton-Fertigteilbauweise angewandt. Die räumlichen Knicke in der Fassade erschwerten das Prozedere. Die Schalpläne wurden dreidimensional am PC erstellt und und die benötigten Teile anschließend konventionell produziert. Für das Verfugen der Wandfertigteile musste ebenfalls eine neue Verfahrensweise entwickelt werden.

Am 19. Oktober 1999 wurde der neue

Zollhof im Medienhafen eröffnet.

Das Ergebnis ist großartig. Entstanden ist eine Komposition dreier Gebäude, die im Ganzen eine Stadtskulptur bilden. Typisch Gehry sind sie schräg und rund, eckig und geschwungen, kantig verformt und verschachtelt.

Die Fenster hingegen sind völlig gerade. In ihren kastenartigen Rahmen ragen sie in einem fest definierten Maß aus der Fassade hervor. Sie sind musterartig angeordnet und geben dem Ensemble seine besondere Note.

Ungefähr 1600 Fensterboxen in 80 verschiedenen Ausführungen wurden insgesamt hergestellt. Da sie außerdem Achsverschiebungen zu beiden Seiten aufweisen, wurde die Montage jedes Fensters zum Einbau eines Unikats.

Die Gehry-Bauten wurden und werden zu Recht gefeiert.

Viele kreative, fähige Köpfe haben hier zusammen gearbeitet und etwas Besonderes erschaffen. Nicht nur der Entwurf ist einzigartig. Auch die Bauweise erforderte komplett neues Denken und Arbeiten. Für die Umsetzung mussten mehr als 240 (!!!) Ausnahmegenehmigungen beantragt werden.

Fachleute sehen in den Gehry-Bauten ein deutsches Ausnahmeprojekt. Obwohl das Ensemble mit hohem Aufwand gebaut wurde, erwies es sich am Ende trotzdem rentabel.

Kein Wunder; schon die speziell dafür entwickelten Innovationen konnten für andere Projekte weiterverwendet werden. Das neue Verfahren zur Herstellung freigeformter Flächen zeigt sich als besonders wirtschaftlich. Es eröffnete neue Perspektiven für räumlich gekrümmte Betonbauteile.

Der alte Zollhof

Leider habe ich keine historische Ansicht finden können. Ich weiß nur; dort stand früher ein altes Ziegelsteingebäude. Wie der Name erahnen lässt, zahlten hier bis Anfang dieses Jahrhunderts die Händler, die in den Hafen einliefen ihren Zoll.

Immer noch beliebte Fotomotive

Kein Wunder, dass Architekturbegeisterte auch mehr als zwei Jahrzehnte später noch zu gerne die Gehry-Bauten besuchen. Sie sind zu Recht im Medienhafen das meistfotografierte Motiv.

Mich freut es als Fotografin ebenfalls. Und sicherlich werde ich noch oft dort sein und immer wieder neue Perpektiven und Blickwinkel suchen …

 Link- und Literaturliste

 „Architektenbiografie: Frank Owen Gehry“. Zugegriffen 5. August 2022. 

Der Hafen von Düsseldorf — Von damals bis heute.GERMAN DOKU, 2018 – YouTube“. Zugegriffen 5. August 2022.

„Frank Gehry – Zerknüllte Papiertüte aus Ziegeln. Deutschlandfunk Kultur. Zugegriffen 5. August 2022.

Architektur im Medienhafen DüsseldorfDuesseldorf-Magazin.info)“. Zugegriffen 5. August 2022

Special: Medienhafen Düsseldorf – Architektur und Ausgehen. (Duesseldorf-Magazin.info)“. Zugegriffen 5. August 2022.

Decor Tips. Frank Gehry: konstruktivistische Architektur und Design, 2. April 2020.

Frank O. Gehry – Biografie WHO’S WHO. Zugegriffen 5. August 2022.

„Gehry Bauten“. Zugegriffen 5. August 2022.

Geschwungene Wahrzeichen: Düsseldorfer Gehry-Bauten stehen unter vorläufigem Denkmalschutz. Zugegriffen 5. August 2022.

Gutsche, Marco.„Düsseldorf“. Video. WDR Nachrichten, 1. Januar 2017.

Haubrich, Rainer. Kino: Frank Gehry baut Häuser aus Pappbechern. DIE WELT, 4. Juli 2007.

„Historie – Zur Geschichte des Medienhafens“. Zugegriffen 5. August 2022. 

Hordych, Harald. Gebrauchsanweisung für Düsseldorf: 2. aktualisierte Auflage 2012. Piper Verlag, 2010.

baukunst-nrw.„Neuer Zollhof Am Medienhafen (Gehry-Bauten). Zugegriffen 5. August 2022.

„Serie 725 Düsseldorf: Gehry baute das Symbol der modernen Stadt“. RP ONLINE, 6. Juli 2013. 

„Serie Architektur im Rheinland: Gehrys schunkelnde Neubauten am Rhein“. RP ONLINE, 26. März 2015. 

VIVID Magazin. „Thomas Rempen im Interview 9“. Zugegriffen 5. August 2022.

„20 Jahre Guggenheim Museum: Wie Bilbao zum Kunstmekka wurde“ | DW | 18.10.2017“. DW.COM. Zugegriffen 7. August 2022.

„25 Jahre Guggenheim Museum: Wie Bilbao zum Kunstmekka wurde“ | DW | 18.10.2022“. DW.COM. Zugegriffen 28.10.2022.  

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