Landschaftspark Duisburg-Nord
1. März 2024
Weihnachten für Fotografen!

Das war der erste Gedanke, als ich meinen Blick über die beeindruckende ehemalige Industrieanlage schweifen ließ. Pittoreske Motive, wohin ich auch sah! Ich freute mich nun erst recht über mein neues Fotoprojekt. Die lange Anreise mit Bus und Bahn aus der Eifel hierher hatte sich definitiv gelohnt.

In diesem Blogbeitrag möchte ich gerne mein Wissen über den Landschaftspar und Industriegeschichte, aber auch meine Begeisterung mit Ihnen teilen. Lesen Sie selber, warum sich ein Besuch auf jeden Fall lohnt und wie der Park entstanden ist.

Industriedenkmal

Der Landschaftspark Duisburg-Nord ist ein Industriedenkmal und steht für deutsche Industriegeschichte des 20. Jahrhunderts. Das ehemalige Hüttenwerk Meiderich bildet das imposante Kernstück eines insgesamt ca. 200ha großen Naturgeländes. Der umgebende Park vereint auf besondere Weise Natur und industriellen, rostigen Ruhestand. Er ist im Laufe der letzten Jahrzehnte so etwas wie ein Gesamtkunstwerk geworden.

Industriedenkmäler erfüllen wichtige Aufgaben. Eine so geschützte Anlage symbolisiert Bedeutung und Entwicklung eines Wirtschaftszweiges und/oder einer Region im 19. und 20. Jahrhundert. Zu einem solchen Denkmal zählen neben den Produktionsstätten auch Arbeiterwohnungen, Stallungen, Herrenhäuser, Kapellen, Schlösser oder Parks der Eigentümer.

Industriedenkmäler stehen nicht nur für die Geschichte technischer Entwicklungen, sondern auch für die der Arbeiter, der Malocher. Nur durch ihre kräftezehrende, harte Arbeit haben sie all das erst möglich gemacht. Und das verdient eine lebendige Erinnerung, Respekt und Anerkennung. Ihr Einsatz hat unserer Industrie zum Erfolg und Deutschland zum Wohlstand verholfen.

Und doch wurde es nicht angemessen wertgeschätzt. Im Gegenteil …

Man denke da nur einmal an die Bergmänner. Eher romantisiert schaut die Gesellschaft heute auf ihre harte, lebensgefährliche Arbeit. Dabei verloren Tausende bei Explosionen, Grubeneinstürzen, Gasaus-  und Wassereinbrüchen ihr Leben unter Tage. Viele erlagen schweren Folgeerkrankungen. Wir haben das in der eigenen Familie erlebt. Mein Großvater war Bergmann und starb mit Anfang 60 an der Staublunge.

Auch die Arbeit in der Metallindustrie war gefährlich und kräftezehrend. Gluthitze, Dreck und giftige Ausdünstungen haben in den Hüttenwerken ihren Tribut gefordert.

Vor allem in Zeiten der Frühindustrialisierung waren Arbeiter und ihre Familien in Abhängigkeit und menschenverachtender Ausbeutung ihrer Dienstherren ausgesetzt. In der Folge zog das schlimmste Armut und Verelendung nach sich. Vor allem die hygienischen Lebensbedingungen waren katastrophal. Auch Kinderarbeit in Fabriken und Bergwerken war an der Tagesordnung.

Erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts traten u.a. mit der deutschen Revolution 1848 die ersten Veränderungen ein. Dank dem Aufstand der schlesischen Weber 1844, dem Buchdruckerstreik 1848 und letztlich den großen, bürgerkriegsähnlichen Streiks der Textil- und Bergarbeiter um die Jahrhundertwende wurden erste Reformationen in Gang gesetzt. Daran beteiligten sich fast alle Bergarbeiter des Ruhrgebiets; 90.000 Menschen!

Zunächst blockierten die mächtigen Industriellen jedoch weiterhin jeden Versuch kollektiver Interessenvertretung oder gewerkschaftlicher Organisation. Sie lehnten ebenso jegliche Einmischung von außen ab. Eine erfolgte Empfehlung für die Berggesetznovelle von 1892, freiwillige Arbeiterausschüsse einzurichten, wurde missachtet. Doch im Jahr 1905 wurde gegen den erbitterten Widerstand der Zechenbesitzer die Einrichtung von Arbeiterausschüssen im preußischen Kohlerevier endlich gesetzlich geregelt.

Glücklicherweise sind all diese schlimmen Zustände längst Geschichte und doch bleiben sie mit den Industriedenkmälern lebendig.

Industriedenkmäler sind lehrreich und erlebbar.

Heute sind sie vor allem durch ihren Erlebniswert in die Gegenwart befördert worden. Stillgelegte Industrieanlagen wurden in lebendige Orte für Kunst und Kultur verwandelt. Unzählige Besucher bestaunen Jahr für Jahr die monumentalen Zeugnisse der Industrialisierung des 19. und 20. Jahrhunderts und erfreuen sich möglicher Freizeitaktivitäten.

Über die Ästhetik der Ingenieurskunst, bzw. Architektur hinaus gilt Industriegeschichte als kulturelle, schützenswerte Leistung, 1984 wurde der Begriff industrielles Erbe vom Europarat anerkannt. Wir sprechen ebenso von Industriekultur. Doch was ist das eigentlich?

Industriekultur

Dieser Begriff ist nicht neu, sondern entstammt dem 18. Jahrhundert, bzw. dem Zeitalter der Aufklärung. Als Kulturgeschichte bezeichnet man geistig-kulturelles Leben, die Zivilisation sowie deren Erforschung und Darstellung. Industriekultur ist der Blick auf die gesamte Kulturgeschichte des industriellen Zeitalters.

Die Industriekultur ganz Europas ist von zahlreichen ehemaligen Industrieflächen geprägt. Mit über 1000 Objekten gibt es ein komplexes Netzwerk der wichtigsten Standorte in 43 Ländern; die European Route of Industrial Heritage. Ein Teil der Strecke liegt im Ruhrgebiet.

Route der Industriekultur

Über eine Strecke von 400km führt das hiesige Netzwerk im Ruhrgebiet durch die Geschichte regionaler Industrie. Mit zurzeit insgesamt 27 Ankerstationen, 17 Panoramen sowie 13 bedeutenden Arbeitersiedlungen kann man die industrielle Entwicklung und das damit verbundene Leben der Region erkunden.

Die Strecke ist so ausgeschildert, dass sie sämtliche Attraktionen abdeckt. Für Radfahrer gibt es ein eigenes Wegenetz über 700 km Länge. Die sogenannte Themenroute ist ein Projekt des Regionalverbandes Ruhr (RVR). Er trifft auch die Auswahl der wichtigsten und touristisch relevantesten Denkmäler des Ruhrgebiets. Klar, dass auch der Landschaftspark Duisburg-Nord dazugehört.

Die Geschichte des Landschaftsparks beginnt mit dem Hüttenwerk Meiderich

Ab Mitte der 1900er Jahre kristallisierte sich die bisher landwirtschaftliche Region als geeigneter Standort für die Schwerindustrie heraus. Der Ausbau des Ruhrorter Hafens bot nun wesentlich mehr Leistungsfähigkeit. Auch die Eisenbahnverbindungen hatten sich 1848 mit einer neuen Strecke optimal verändert. Jetzt gab es einen Rheinübergang. Mit diesen Optionen war eine gute Infrastruktur für neue Standorte geschaffen. Dazu kam nicht nur in Deutschland, sondern ein weltweit hoher Bedarf an Roheisen.

Vier Hüttenwerke entstanden in den nächsten 60 Jahren im Duisburger Norden. Steinkohle, Eisen- und Stahl wurden die wichtigsten Produkte.

Im Jahre 1890 beschloss August Thyssen den Bau einer Hüttenanlage in Meiderich. Es war die zweite nach der 10 Jahre zuvor in Bruckhausen entstandenen, größten Anlage in der Region. Das neue Hüttenwerk sollte als Zulieferer für andere Stahlwerke und Gießereien Roheisen produzieren.

So entstanden in den Jahren 1901-1912 hier insgesamt 5 Hochöfen sowie eine Gießereianlage für große Gießarbeiten. Mit der gleichzeitigen Inbetriebnahme aller Öfen im Jahre 1912 arbeiteten hier bereits 1300 Mitarbeiter. Im Laufe von 82 Jahren wurden in Meiderich 37 Millionen Tonnen Roheisen produziert.

Auf und Ab

Das Hüttenwerk erlebte im Laufe der Zeit mehrere Fusionen, Umbenennungen, die Weltwirtschaftskrise 1930, eine beinahe vollständige Zerstörung im zweiten Weltkrieg und den Wiederaufbau.

Gemeinsam erließen die Militärregierungen der Amerikaner und Briten im November 1948 eine neue Gesetzgebung zur Neuregelung der deutschen Kohle-, Eisen- und Stahlindustrie. So unterstand dann auch das Hüttenwerk Meiderich der Treuhandverwaltung der „North German Iron und Steel Control“. Die Kontrolle über die Vermögen der Eisen- und Stahlindustrie, der Reichswerke sowie der Firma Krupp wurde ebenso übernommen.

Was folgte war eine Neuordnung der westdeutschen Eisen- und Stahlindustrie. Das bedeutete vor allem die Entflechtung großer Unternehmen und die Neuschaffung kleinerer Betriebe. Damit sollte die Auflösung von Kartellstrukturen vorangetrieben werden. Das Hüttenwerk Meiderich wies allerdings so marode Produktionsanlagen auf, dass es nicht zerschlagen wurde.

1948 wurde es als „Hochofenwerk Meiderich“ Teil der neuen Gesellschaft „Hüttenwerke Meiderich–Ruhrort“. Ab 1955 war Meiderich ein Teil der Phoenix Rheinrohr AG. Die folgenden Jahre standen Dank des Marschall-Plans und des Investitionshilfegesetzes im Zeichen des Wiederaufbaus und der Modernisierungen. So entstand 1959 der Neubau eines Blasstahlwerks mit drei Thomasbirnen und einem Oxygenkonverter.

1965 erfolgte (wieder) die Übernahme durch die August Thyssen Hütte AG.

Stahlkrise

Doch schon Ende der 1960er Jahre entwickelte sich aufgrund weltweiter Überkapazitäten eine Stahlkrise mit schwerwiegenden Folgen für die Region. 1968 wurde im Hüttenwerk Meiderich der Hochofen Nr. 3 stillgelegt, Hochofen Nr. 4 folgte zwei Jahre später. 1982 wurden die Hochöfen 1 und 2 komplett abgerissen. Der 1973 neu errichtete Hochofen 5 hielt noch bis zur letzten Schicht im Jahre 1985 durch.

Das Werk wurde geschlossen und von Thyssen zum Abriss freigegeben. Glücklicherweise geschah das nicht. Doch was nun? Industrielle Neuansiedlungen waren nicht in Sicht.

Emscher Park

Retter in der Not war die 1988 ins Leben gerufene „Internationale Bauausstellung Emscher Park“ (IBA). Das auf zehn Jahre ausgelegte Projekt sollte der Region zu neuen Strukturen verhelfen. Das Hauptaugenmerk lag hier – im Gegensatz zu herkommlichen Bauausstellungen – auf vorhandenen Baubeständen.

Ein Architekturwettbewerb wurde ausgerufen. Als Sieger gingen die Landschaftsarchitekten (Prof. Peter) Latz + Partner mit innovativen Ideen und einem völlig neuartigen Konzept daraus hervor. In den folgenden 12 Jahren schuf Peter Latz eine Landschaft, die das brachliegende Gelände mit einem ehrwürdigen Ruhestand der stillgelegten Anlage harmonisch verband. Das Besondere; die sichtbaren Merkmale industrieller Nutzung wurden nicht als ‚unschön‘ beseitigt, sondern in Szene gesetzt.

Die Landschaftsarchitekten entwarfen verschiedene Parkkonzepte, die auf unterschiedlichen Ebenen ineinander übergehen sollten. Und genau das ist heute auch das Spannende; jeder Bereich sieht überraschend anders aus. So gibt es den malerischen Wasserpark mit Kanälen, Klär- und Sammelbecken. Der Bahnpark ist von den alten Gleisanlagen geprägt, die einen ganz eigenen Charme verleihen. Alle Nutzungsfelder und Gärten sind durch Straßen, Wege, Brücken und hochgelegene Rohrleitungen miteinander verbunden.

Der Sinterplatz, eine wunderschöne Gartenanlage ….

Stellenweise musste ich an mein Lieblingsbuch aus der Kindheit denken; „der geheime Garten“ von Frances Hodgson Burnett.

Was ich in diesem Park besonders liebe, ist die Art und Weise wie die Natur rostige Metalluntergründe und Mauerwerk erobert. Auf, in und zwischen brachliegenden Produktionsstätten bahnt sie sich ihren Weg. Und das geschieht in keinster Weise brachial, sondern wirkt beinahe zärtlich, liebevoll und tröstend.

Ein einzigartiger Landschaftspark

Das rieisige Gelände ist heute wunderschön und zählt in Fachkreisen zu den wichtigsten Projekten der Landschaftsarchitektur der Jahrtausendwende. Nicht ohne Grund wurde er mehrfach ausgezeichnet:

  • Europäischen Preis für Landschaftsarchitektur Rosa Barba 2000
  • Grande Medaille d’Urbanisme 2001
  • Play & Leisure Award 2004
  • EDRA Places Award 2005
  • Green Good Design Award 2009

Insgesamt ist den an diesem Projekt Beteiligten etwas sehr Besonderes gelungen. Entstanden ist ein lebendiger Ort der Geschichte, Kultur und Erholung.

Hier kommt jeder Besucher auf seine Kosten.

Pro Jahr zählt der Park mehr als eine Million Besucher! Damit gehört er zu den beliebtesten Natur- und Kulturlandschaften NRWs. Kein Wunder bei diesem vielseitigen Angebot; Geschichte & Industrie, Natur & Erholung, Kunst & Kultur mit jährlich ca. 250 Veranstaltungen. Am erstaunlichsten fand ich, dass hier auch Angebote für Sportler zu finden sind.

Tatsächlich kommen Taucher und Kletterer auf ihre Kosten. Das größte Indoor Tauchbecken Europas befindet sich im Landschaftspark Duisburg-Nord. In den ehemaligen Gasometer mit einem Durchmesser von 45 und einer Tiefe von 13 Metern passen 21 Millionen Liter Wasser. Seit Bestehen haben hier mehr als 40.000 Taucher trainiert, u.a. Polizeitaucher.

Der Deutsche Alpenverein, Sektion Duisburg, verwandelte Teile der ehemaligen Bunkeranlage für Erz in einen Klettergarten.

Doch damit nicht genug; im Hochofen 2 befindet sich ein Hochseilparcour.

Besonders interessant ist die Anlage natürlich für Hobby- und BerufsfografInnen. Mein persönliches Highlight war der Hochofen 5. Über außen herumführende Eisentreppen kann man den 80 Meter hohen Koloss bis auf 70 Meter besteigen. Und das lohnt sich! Nicht nur das Innere des Ofens ist spannend zu erkunden. Der Ausblick, bzw. Blick über die Industrieanlage ist fantastisch.

Ich habe dort erstaunlicherweise sogar meine Höhenangst überwunden. Da ich ja beruflich hinauf musste, übergab ich meinem Verstand die Regie. Und siehe da; es funktionierte! Zwar mit stellenweise zitternden Knien, aber immerhin! Mittlerweile bin ich schon bei jedem Besuch hinaufgestiegen und habe gar nicht mehr großartig über die Höhe nachgedacht. Der professionelle Blick auf die sich bietenden Motive hat eindeutig Oberwasser. Adieu Schweinehund Höhenangst!

Lichtinstallation

Das Highlight schlechthin ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Lichtinstallation des Künstlers Jonathan Park. 1996 schuf er die Kunstinstallation anlässlich der Internationalen Bauausstellung Emscher Park (IBA). Seitdem erstrahlt sie weithin sichtbar in die Dunkelheit und wurde zu einem der Wahrzeichen des Ruhrgebiets.

Mit einem Dämmerschalter versehen schaltet sich das Licht automatisch an und taucht den Park in die Farben Rot, Grün und Blau. Sie symbolisieren Funktionen der Anlage = Grün = Gas, Blau = Wasser und Rot =Feuer & Hitze.

Was man wissen sollte; Montag bis Donnerstag ist nur die Illumination der drei Schornsteine in Betrieb. Jeden Freitag, Samstag, Sonntag, an Feiertagen sowie an deren Vorabenden kann man die gesamte Lichtpracht bestaunen. Die Installation bestand ursprünglich aus 440 Leuchten, die über ein 40 Kilometer langes Kabelnetz mit insgesamt 125 Schaltkreisen miteinander verbunden waren.

Aber auch der Landschaftspark muss Energie einsparen.

Daher hat man vor ca. 15 Jahren damit begonnen energiesparende LED-Lampen einzusetzen. Ich kann mir vorstellen, dass damit erhebliche Stromkosten eingespart werden.

Leider war mir selber der Anblick der Lichterpracht noch nicht möglich. Aber das wird schon. Ich war mittlerweile 4x dort und plane demnächst weitere Fototouren. Mir fehlen noch Aufnahmen der Gebläsehallen. Die waren leider immer geschlossen, wenn ich dort war. Außerdem möchte ich die wunderbare Natur mit ihren Gärten und Parkanlagen ausgiebiger erkunden.

Ganz wichtig ist auch das Planen meiner neuen Fotokurse im Landschaftspark. In Kürze wird dieser Workshop regulär in mein Kursangebot aufgenommen. Zuvor muss ich jedoch noch einige Absprachen dazu mit der zuständigen Mitarbeiterin für Öffentlichkeitsarbeit vor Ort treffen.

Neugierig geworden?

Es würde mich freuen, wenn auch Sie nun einen Besuch im Landschaftspark planen. Ich kann es jedenfalls wärmstens empfehlen. Das Schöne vor allem für Familien; der Eintritt ist frei. Zudem ist die Anlage rund um die Uhr geöffnet.

Für Ihren Besuch finden Sie auf der Homepage des Landschaftsparks alle wichtigen Besucherinfos. Dazu gibt es noch viel mehr Hintergrundwissen zur Geschichte des Hüttenwerks Meiderich und der Entstehung des Landschaftsparks. Es lohnt sich also, auch diese Seite zu besuchen.

Pdf: Literatur- und Linkliste Landschaftspark

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