Der Aachener Dom und seine Geschichte
10. November 2021

Wer Aachen kennt, kennt auch das Wahrzeichen der Stadt; den Aachener Dom. Sein Ruf reicht weltweit; als erste Kulturstätte Deutschlands wurde er 1978 in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen.

Kein Wunder, gilt er nicht nur als künstlerisches und architektonisches Meisterwerk. Als symbolträchtiges Bauwerk hat er eine universelle Bedeutung.

Die Bischofskirche des Bistums Aachen – auch Hoher Dom zu Aachen, Aachener Münster oder Aachener Marienkirche – entstand um 800 im Auftrag Kaiser Karls des Großen. Ihre gesamte Baugeschichte umfasst etwa 1200 Jahre.

Entsprechend viele Stilepochen sehen wir heute; Gotische, Karolingische, Ottonische und Romanische Architektur prügen den Aachener Dom.

Der Anfang

Begonnen hat alles noch vor 800 mit dem Umbau eines eher unbedeutenden Hofguts in Aachen. Karl ließ das Erbe seines Vaters Pippin zu einer großzügigen Pfalz umbauen. Um 790 gab er den Zentralbau und das Westwerk der Pfalzkapelle in Auftrag. Die so entstandene Königspfalz (später Kaiserpfalz) war im Früh- und Hochmittelalter ein wichtiger Herrschersitz und Lieblingspfalz von Kaiser Karl dem Großen.

Baumeister war Odo von Metz, über dessen Leben und Ausbildung es keine nachweislichen Informationen gibt. Nach der üblichen aber offensichtlich verschwundenen Bauinschrift wird nach wie vor gesucht.

Es wird vermutet, dass Odo von Metz ein aus Armenien stammender Architekt und Stadtplaner gewesen sein könnte. Die Kirchweihe des Aachener Doms – auch Marienkirche, Stiftskirche oder Münster genannt – erfolgte vermutlich um 802.

Der Grundriss

In der Mitte liegt der Zentralbau Ein überkuppeltes Oktogon, umgeben von den spätgotischen Kapellen und dem karolingischen Westbau. Den östlichen Teil bildet die gotische Chorhalle:

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/7/76/Aachener_Dom_Anordnung_Kapellen.jpg/640px-Aachener_Dom_Anordnung_Kapellen.jpgAachen: Palace chapel, from G. Dehio and G von Bezold, Die Kirchliche Baukunst des Abendlands,
1888 Lithograph, Public domain, via Wikimedia Commons

Krönungskirche

Als Residenz Karls des Großen galt die Marienkirche als regni sedes principalis = des Reiches höchster Thronsitz. Seit der ersten Krönung Otto I. im Jahre 936 war Aachen bis 1531 Krönungsstätte für 31 römisch-deutsche Könige und 12 Königinnen. Karl der Große wurde nicht in Aachen, sondern 768 in Noyon zum König und 800 in Rom zum Kaiser gekrönt.

Mit der letzten Krönung Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 11. Januar 1531 zum Römisch-Deutschen König ging diese Ära zu Ende.

Karlsthron

Er gilt als Highlight des Aachener Doms; der Karlsthron. Aus weißen Marmorplatten gebaut, steht er in der Loggia des Oktogons und war bis 1531 Ort des Aachener Krönungszeremoniells. Damit war er das wichtigste Herrschaftszeichen römisch-deutscher Könige und Kaiser.

Umso erstaunlicher ist seine scheinbar schlichte Gestaltung. Doch diese Einfachheit täuscht. So stammen die verwendeten Platten aus der Grabeskirche von Jerusalem. Der Patriarch soll sie Karl dem Großen geschenkt haben.

In Jerusalem dienten sie als  Bodenbelag. Geht man davon aus, dass Jesus diese Platten berührt hat. bekommt der Thron Reliquiencharakter.

Ob Karl der Große den Karlsthron wirklich bauen ließ ist nicht eindeutig bewiesen. Es gibt zu wenige belastbare Quellen. Nach den jüngsten Untersuchungen ist er jedoch in die karo­lingische Zeit zu datieren. Es wird vermutet, dass er vom Karlsthron aus die in der Pfalzkapelle gehaltenen Messen verfolgte.

Wallfahrtskirche

Die ersten Pilger reisten bereits zu Lebzeiten Karls des Großen nach Aachen. Grund waren vier Reliquien, die der Kaiser 799 zur Einweihung der Pfalzkirche aus Jerusalem als Geschenk erhielt. Die Pilger wurden immer mehr, vor allem seit der Heiligsprechung Kaiser Karls.

Etwa 1239 wurde der Marienschrein fertiggestellt. Seitdem wird die Aachener Wallfahrt Heiligtumsfahrt genannt. Seit 1349 findet sie alle sieben Jahre statt. Ende des 15. Jahrhunderts zählte man übrigens an einem Tag mehr als 140.000 Pilger in Aachen.

1622:
1622 HeiligtumsfahrtAnonymous, Scan of a facsimile of the original work

Beeindruckt hat mich bei meinen Recherchen, was ich über die Heiligtumsfahrt 1937 las. Den Nationalsozialisten zum Trotz pilgerten circa 800.000 Gläubige nach Aachen. Dieses Ereignis bezeichnet man daher als Wallfahrt des „stummen Protests“.

Für jeweils zehn Tage werden die im Marienschrein

aufbewahrten vier Aachener Heiligtümer gezeigt.

Dabei handelt es sich um vier Tuchreliquien. Bei der Zeigung wird nur Eine davon entfaltet. Die drei anderen Tücher bleiben mit Schnüren zusammengebunden.

Marienkleid

Diese Reliquie ist wahrscheinblich ein Unterkleid Marias und ist eine antike häusliche Webarbeit aus naturfarbenem Leinen.  Das aus einem Teil ohne Naht gewebte Kleid ziert eine feingestickte Halsborte. Für die Zeigung wird sie vollständig entfaltet.

Die Windeln Jesu

Hierbei handelt es sich um einen dicken Stoff von bräunlicher Farbe, der eher an Filz als an Textilien erinnert. Während der Heiligtumsfahrt bleiben die Windeln mit einem Seidenband zusammengebunden.

Das Enthauptungstuch Johannes des Täufers

Es gilt als Zeichen der Treue bis in den Tod. Das Tuch ist aus feinst gewobenem Damast und weist große Blutflecken auf.

Das Lendentuch Christi

Es ist ein grobes Gewebe von weißlicher Farbe und wurde wohl aus einem größeren Gewand grob herausgeschnitten.

Eine große Bedeutung hat der Aachener Dom

auch als Grabstätte Kaiser Karls.

Karl der Große starb am 28. Januar 814 an einer Fiebererkrankung. Noch am selben Tag wurde er eilig in der Pfalzkirche zu Aachen bestattet.

1165 ließ Friedrich Barbarossa das Grab öffnen und die Gebeine Karls entnehmen. Sie waren in ein mit Elefanten verziertes Seidengewebe gehüllt und wurden nun in einem hölzernen Schrein auf dem Allerheiligenaltar der Marienkirche aufbewahrt.

50 Jahre später bettete Friedrich II. Karls Gebeine um. Seitdem liegen sie in dem prächtig vergoldeten Karlsschrein, der bis heute in der Chorhalle des Aachener Doms steht.

Die ursprüngliche Grabstätte konnten Archäologen jedoch trotz umfangreicher Grabungen bis heute nicht finden. Alle diesbezüglichen Vermutungen und Thesen konnten widerlegt werden.

Wer den Aachener Dom betritt versteht,

warum er zum Weltkulturerbe gehört.

Beeindruckende Mosaike, karolingische Säulen, Kapitelle und bronzene Gitter sind wunderschön anzusehen.

In der Mitte des Oktagons fügt sich der goldene Barbarossaleuchter harmonsich ins Bild ein. Seinen Namen verdankt er dem Stifter. Friedrich I. – genannt Barbarossa – ließ Karl den Großen 1165 heiligsprechen und stiftete den imposanten Radleuchter.

Der wie eine Krone anmutende Leuchter spiegelt mit seinen 16 Türmen die Architektur des Raumes wider. 48 Kerzen finden darauf Platz. Der Kranz symbolisiert die Stadtmauer des himmlischen Jerusalems. Die turmartigen Laternen versinnbildlichen die Stadttore.

Doch die eindrucksvolle Edelschmiedekunst mit einem Durchmesser von 4,16 Metern erfuhr im Laufe der Jahrhunderte auch Zerstörungen. Daher ist der Leuchter nicht mehr im Originalzustand. So sind  Silberfiguren, die Heilige, Engel und Torwächter darstellten leider verlorengegangen.

Die Befestigung samt 27 Meter langer Kette trägt das Gewicht.

Der Dom wird größer

Die zunehmende Nutzung der Kirche durch Pilger führte ab 1355 zur gotischen Erweiterung des Bauwerkes. So entstanden im Laufe von rund 100 Jahren die Chorhalle (Fertigstellung 1414), fünf Kapellenanbauten und der gotische Westturm.

Stadtbrand

Im Jahr 1656 wütete ein verheerender Stadtbrand in Aachen, der erheblichen Schaden auch an der Marienkirche anrichtete. Die Dächer des Chores, des Oktogons und der Türme sowie der angrenzenden Kapellen wurden dabei fast vollständig zerstört. Die angesichts der Katastrophe schlechte wirtschaftliche Lage ließ nur einfachste Wiederherstellungen zu.

 Barock

Aachen stieg im 18. Jahrhundert zur angesehenen Badestadt auf. Zeitgleichhielt auch der barocke Baustil Einzug in den Aachener Dom. So wurde der karolingische Kernbau die italienischen Stuckateure Vasalli und Artari ausstuckiert und die Chorfenster verloren ihre gotischen Maßwerke. Aus dieser Bauepoche ist auch die damals komplett umgestaltete Ungarnkapelle erhalten. Ein barockes Portal entstand am Westwerk.

Ende des 18. Jahrhunderts litt der Aachener Dom unter der französischen  Besatzung. Er wurde geplündert und zeitweilig sogar als Pferdestall genutzt. Die Franzosen demontierten die Abdeckungen sämtlicher Bleidächer und bauten 32 der wertvollen Marmorsäulen aus. Die meisten davon wurden später wieder zurückgeführt. Einige Wenige verblieben in Paris und sind dort im Louvre zu sehen.

Zweiter Weltkrieg

Dank  der „Feuerlöschgruppe Dom“ überstand die Kathedrale weitgehend die Brandbomben. Diese Domwache bestand aus 20 Jugendlichen, die sich zusammengetan hatten und weitere Zerstörungen verhinderten.Dennoch wurde auch der Aachener Dom durch mehrere Luftangriffe schwer beschädigt. unter Einsatz des eigenen Lebens bewahrten sie den karolingischen Bau vor dem Ausbrennen.

1941 zerstörte eine Sprengbombe die neugotische Heiligtumskapelle. In der Nacht vom 23. zum 24. Dezember 1943 wurde der Dom voll getroffen, und die gesamte Fensterverglasung der Chorhalle ging zu Bruch. Die Zeitzünderbombe wurde aus der Chorhalle geschleudert und detonierte in einer angrenzenden Straße. Im Mai 1944 zerstörte eine weitere Bombe erneut Teile des Kreuzganges und Häuser im Atrium.

Restaurierung

Im 19. Jahrhundert konnten umfassende Restaurierungsarbeiten an den gotischen Bauteilen vorgenommen werden. Über dem karolingischen Westbau entstand 1884 ein neugotischer Westturm. Beeindruckenden Abschluss dieser Zeit bildet die neobyzantinische Innendekoration des alten Karolingerbaus (1880/81 und 1901-1913).

Die letzte Grundsanierung des Aachener Doms wurde 2016 nach 30 Jahren abgeschlossen. 37 Millionen Euro wurden  für die Arbeiten an Statik, Mauerwerk, Dächern, Dachstühlen, Fenstern, Mosaiken und Marmorplatten investiert. Besonders auf die statische Stabilisierung des Dachstuhls des Oktogons im karolingischen Zentralbau des Aachener Doms, die Sanierung des 1200 Jahre alten Mauerwerks oder auch der Einbau neuer Ringanker in die gotische Chorhalle wurde dabei ein Schwerpunkt gelegt.

Heute

Der Aachener Dom ist so gut wie nie ohne ihn an irgendeiner Stelle umgebende Gerüstbauten zu sehen. Der Zahn der Zeit nag unaufhörlich weiter an diesem beeindruckenden Bauwerk. Und es muss leider davon ausgegangen werden, dass auch die bereits einsetzende Klimkatastrophe dem Dom weitere Schäden zufügen wird.

Nichtsdestotrotz bleibt er ein historisches Bauwerk, dass einen Besuch wert ist …

Literatur und weiterführende Links:

– „Aachen Dom, Dom, Schatzkammer, Marienschrein : Deutsche Inschriften Online“. Zugegriffen 9. Juni 2021. http://www.inschriften.net/aachen-dom/inschrift/nr/di031-0035.html#content.
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– https://www.fr.de. „Aachener Dom 1200 Jahre alt – definitiv“, 3. Juni 2009. https://www.fr.de/wissen/aachener-1200-jahre-definitiv-11524102.html.
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